WORAN WIR GLAUBEN

ZEIT FÜR VERÄNDERUNG, ZEIT FÜR DIVERSITÄT, ZEIT FÜR FRAUEN

Das Foto von der Ernennung der neuen Verteidigungsministerin zeigt die drei bekanntesten Politikerinnen Deutschlands, sichtbar zufrieden im Moment des gemeinsamen Erfolges. Eine Ikonographie der Macht.
„Das Ende des Patriarchats“ oder „die Zeit der Frauen“ verkünden daraufhin unzählige Schlagzeilen, die das Ziel der Gleichberechtigung endgültig erreicht sehen.
Andere beschreiben das Gegenteil. Dass eben jene Angela Merkel, Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer genau deshalb nicht als Protagonistinnen einer Zeitenwende im Sinne der Frauen taugen, weil sie sich allesamt klassisch männlicher Machtstrukturen bedienen. Dass es traditionelle Seilschaften seien, durch die sie sich in bedeutende Positionen hieven.

Beide Thesen sind falsch.

Lassen wir Lust an Verantwortung oder auch an Macht, die Bereitschaft Risiken einzugehen und etwas unbedingt zu wollen, nicht zur männlichen Eigenschaft erklären. Und lassen wir uns nicht beruhigen von wohlfeilen Verkündigungen vollzogener Gleichberechtigung.

Die Realität ist anders. In der Wirtschaft, den Medien, der Kultur, dem Sport und zahllosen Institutionen werden Entscheidungen nach wie vor von Männern getroffen. Eine pluralistische Gesellschaft braucht pluralistische Entscheidungsträger. Sie braucht diverse Führungskräfte, um den komplexen Anforderungen dieser Zeit gerecht zu werden. Und sie braucht viel mehr Frauen in Verantwortung, denn es ist der schnellste Weg , Veränderungen zu herbeizuführen. Es gibt so viele von uns.

FRAUEN SIND DIE HELDINNEN UNSERER ZEIT

Ja, Frauen können beinah alles erreichen.
Doch der Eindruck der unbegrenzten Möglichkeiten und des unaufhaltsamen Fortschrittes ist fatal. Er soll uns einlullen und davon ablenken, für eine wirkliche Veränderung des Systems zu kämpfen. Wir können nicht damit zufrieden sein, uns in ein nach wie vor funktionierendes Patriarchat einfügen zu dürfen. Die Zeit ist reif ein neues System zu gestalten.
Wir glauben an die Kraft wirklicher Gleichheit. An gleiche Rechte und Chancen für alle Menschen. Unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion, Herkunft und Lebensweise. Wir sind überzeugt vom Gewinn, der aus Unterschiedlichkeit entsteht und davon, dass gemischte Teams mehr erreichen.

Lassen wir uns nicht von spektakulären Einzelbeispielen erfolgreicher Frauenkarrieren beruhigen. Wir sind mehr. Wir sind mehr als Soforthilfe in akuten Krisensituationen. Frauen sind diejenigen, die den Anforderungen dieser Zeit besser begegnen können. Nicht qua Geburt, sondern weil sie noch immer weiblich sozialisiert werden, weil sie deshalb besondere Verhaltensweisen gelernt haben, weil ihnen damit Führungsinstrumente ganz selbstverständlich zur Verfügung stehen, die zeitgemäß sind. Weil es Integrationsfähigkeit und Sachlichkeit braucht, statt Polarisierung und Kraftdemonstration.

Es ist eine Umbruchzeit, in der Frauen oft unvorbereitet, weil in der Vergangenheit zu nachlässig gefördert, in verantwortungsvolle Positionen kommen. Allzu häufig ohne Überzeugung und Bereitschaft der Nominierenden, die Kandidatin mit der notwendigen Autorität auszustatten. Spätestens mit der Berufung in eine machtvolle Position beginnt die Infragestellung. So wird das Scheitern wahrscheinlicher. Härte und Häme in der Beurteilung sind in der Regel unverhältnismäßig und unerträglich persönlich.

Es ist die Stärke der Frauen, dass sie sich inzwischen auch darüber hinwegsetzen. Dass sie offene Verleumdungen ebenso ertragen, wie subtile Abwertung, weil sie ihr Herz für eine Sache geben. Für die Rettung des Klimas, für den Schutz von Menschenleben, für ein verbundenes, kraftvolles Europa.

NEUE HERAUS­FORDERUNGEN VERLANGEN NACH NEUEN FÜHRUNGS­PERSÖNLICH­KEITEN

Wir leben längst nicht mehr in einer klar strukturierten Welt, in der sich zwei Pole gegenüberstehen. Wir leben in einer Archipel-Welt, in der viele der uns vertrauten Regeln, Anschauungen, Einordnungsmuster nicht mehr gelten.

Unsere Arbeitswelt verändert sich schneller, als unser Bewusstsein zu fassen imstande ist. Wir verlassen das Industriezeitalter, in dem Beruf und Statussymbole den Wert des Menschen definierten. Im angebrochenen Informationszeitalter wird Arbeit automatisiert und künstliche Intelligenzen erledigen auch höherwertige Aufgaben. Was wird in Zukunft den Wert des Menschen bestimmen? Wie wollen wir unser gesamtes wirtschaftliches System neu definieren, insbesondere wenn Produktion nicht mehr der Kern sein wird. Welchen Stellenwert werden klassische Frauenbereiche wie Familienarbeit bekommen?¹ Es liegt an uns auszugestalten, wie wir miteinander leben wollen.

Nachfolgende Generationen prägen unsere Gesellschaft. Sie leben und arbeiten nach neuen Überzeugungen. Bei der Gestaltung der Biographie nehmen andere Lebensdimensionen eine wichtigere Rolle ein als Erwerbstätigkeit. Immer mehr Männer wollen nicht darauf verzichten, das Aufwachsen ihrer Kinder alltäglich zu begleiten, geben ihrer Freizeit eine größere Bedeutung und engagieren sich außerhalb ihres Berufsumfeldes. Junge Menschen leben kreativer. Sie fügen sich nicht mehr bedingungslos in Hierarchien und systemische Autoritäten. Sie erwarten nahbare Vorgesetzte und stetiges Feedback, wollen mit ihren Fähigkeiten einen Wert für ein Unternehmen leisten und das am liebsten für solche Unternehmen und Führungspersönlichkeiten, die nach beispielhaften Werten und übergeordneten Zielen handeln. Sinn und Wertschätzung sind bedeutend für die Identifikation mit einer Sache, denn. durch die Vielzahl an Möglichkeiten ist die Loyalität mit einer einzelnen Institution geringer geworden, der Anspruch höher.

Unsere Gesellschaft ist im Wandel. Lebensformen und Werte definiert sich neu. Den immer komplexer werdenden Herausforderungen der Zukunft können wir nicht mit den Lösungen der Vergangenheit begegnen.

Dafür brauchen wir echte Diversität und Führungspersönlichkeiten, die bereit sind, diese Veränderungen anzunehmen. Die die intellektuellen und emotionalen Fähigkeiten haben, diese Entwicklung anzuerkennen und die Flexibilität, ihre Instrumente wieder und wieder anzupassen. Menschen, die sich mit den eigenen inneren Glaubenssätzen auseinandersetzen. Die nicht die Hauptdarsteller des bestehenden Systems sind, sondern willens, das System zu verändern, weil sie den Gewinn im Vordergrund sehen, nicht ihre drohende Verluste. Die bereit sind, all das, was uns jahrzehntelang Orientierung und Sicherheit gegeben hat, zu hinterfragen, ohne dabei zentrale Werte wie Respekt, Humanität und Solidarität aufzugeben.
Führungskräfte, die nicht den Standardweg gegangen sind, die selbst mit Ausgrenzung und Widerständen konfrontiert waren haben häufig einen schärferen Blick für die Bereicherung durch Unterschiedlichkeit. Menschen, die aufgrund ihrer eigenen Biographie näher an gesellschaftlicher Veränderung sind, treffen mit höherer Wahrscheinlichkeit emphatischere Entscheidungen.

ES IST ZEIT FÜR FRAUEN

Es ist Zeit für Frauen, weil sie nicht in Denkmustern verhaftet sind, die vor allem ihre Macht stabilisieren. Weil sie nicht Teil des Systems sind, dass es jetzt infrage zu stellen und neu zu gestalten gilt, sondern weil sie der Komplexität dieser Neuordnung offen begegnen können.

Kurzum: es braucht viel mehr Frauen in Verantwortung. Weil es das belastbarste Versprechen auf, einen andere Herangehensweise ist.

Weil sie gelernt haben zu verbinden statt zu trennen. Weil sie zuhören statt zu statuieren. Moderieren ohne Macht zu demonstrieren. Mit Inhalten zu wirken, statt lautstark für sich selbst zu werben.

Und all das ohne sich davor zu scheuen, Konflikte auszutragen, Entscheidungen zu treffen und damit messbar zu sein.

Wir sind mehr als die Hälfte. Dementsprechend gibt es auch keinen Grund zur Zufriedenheit mit weniger als 50% von allem.

Erst wenn wir viele sind, entfaltet sich unsere ganze Kraft. Eine neue, weibliche Macht entsteht aus der Vielzahl, aus dem Veränderungsdruck, der aus verschiedenen Richtungen drängt. Aus der Faszination für ein gemeinsames Ziel und der Lust an einem neuen, demokratischeren Machtbegriff. Aus der Multiplikationswirkung, zu der jede Frau in Führung beiträgt. Weil sie das geschlossene System öffnen. Weil Männer noch immer leichter eine weibliche Vorgesetzte um Elternzeit bitten. Weil Frauen ein generisches Verständnis dafür haben, wie Frauen tatsächlich zu fördern sind.

Bei all dem sind wir uns bewusst, Menschen machen Fehler. Auch Frauen. Aber: seltener solche, die aus Überkompensation und reiner Machtdemonstration heraus entstehen. Das Gegenteil von klassischer Machtdemonstration ist nicht Machtlosigkeit, sondern Wirkung.

Dabei kommt denjenigen Frauen, die jetzt in exponierten Positionen sind, eine besondere Aufgabe zu. Ihr Alleinstellung, ist aufregend und verführt durch enorme Aufmerksamkeit. Aber sie ist nur ein Trugschluss.

Allzu oft dient sie als Rechtfertigung, verleitet zu unangebrachter Zufriedenheit: Wir haben doch eine Aufsichtsratschefin im Dax 30, eine Schiedsrichterin im Männerprofifußball, eine SPD Vorsitzende. Eine.

Oft ist es zudem nur vordergründige Anerkennung. Und sogar von Frauen werden die Protagonistinnen der „ersten Welle“ insgeheim wenig geschätzt. Weil sie ihren männlichen Kollegen zu ähnlich sind, karrieristisch und mitunter sogar „männlicher“ im Habitus. Zu selten solidarisch und unterstützend mit denjenigen, die ihnen folgen könnten. Auch das ist ein Beweis dafür, wie zwingend notwendig es ist, das System so zu verändern, dass es Frauen möglich ist, den Weg an die Spitze auf ihre Weise zu gehen. Der ihnen nicht vor allem Härte, Durchsetzungskraft und permanente Verfügbarkeit abverlangt, sondern spezifisch weiblichen Kompetenzen zu Karrierebeschleunigern macht. Weil wir sonst nicht nur zu wenige bleiben, sondern auch die große Chance vergeben, bessere Lösungen für dringende Fragestellungen zu finden.

Von Frauen, die an die Spitze geschafft haben, hören wir, dass sie keine offenen Übergriffe erleben, keine despektierlichen Aussagen hören. Natürlich nicht! Wer würde es auch wagen in den noch immer vorherrschenden Hierarchien? Funktion ist ein Panzer. Aus vielen Gesprächen, die wir mit erfolgreichen Frauen geführt haben, wissen wir, dass das nur ein Teil ist. Offen wollen die Vorreiterinnen meist nicht mehr über widrige Karrierephasen reden, die schmerzhaften Erfahrungen nicht nochmal aufwärmen. Gleichwohl bleiben hindernisreiche Karrieren und verwehrte Chancen für Frauen auch 2019 eine Realität. Das zu ändern ist ein Auftrag für all diejenigen, die jetzt in der Position sind ihren Nachfolgerinnen Wege zu ebnen.

DIE REALITÄT HEISST THOMAS

Wir leben in einer Welt, die immer noch von mittelalten weißen Männern geprägt ist, von Thomasen und Michaels². 69 von 185 Dax-Konzernen planen laut der jüngsten Fidar WOB Studie³ ohne Frauen im Vorstand. Noch immer kommen ganze Branchen, unzählige Konferenzen und wichtige Entscheidungsgremien ohne Frauen aus. Werden Meinungen in Medien von Männern gemacht, Kultur und Sport von Männern dominiert.

In vielen Ländern dieser Welt gibt es keine gesetzliche Gleichstellung von Frauen. Eine Studie der Weltbank⁴ hat es gerade anschaulich dargestellt: Frauen haben im mittel weltweit nur ¾ der Rechte, im Vergleich zu Männern. Sie dürfen nicht ohne Erlaubnis ihrer Ehemänner reisen, sind nicht geschützt vor Belästigung am Arbeitsplatz, sie bekommen nicht das gleiche Geld für die gleiche Arbeit, haben nicht die gleichen Chancen, sobald Kinder auf der Welt sind. Die Liste ist zu lang. Auch in Deutschland ist die gesetzliche Gleichstellung noch nicht in allen Punkten vollzogen.

Das ist ökonomisch untragbar. Und es ist nicht gerecht.

Doch Veränderungen passieren noch immer zu langsam, denn das System referenziert weiterhin auf sich selbst. Bewusste und unbewusste Vorurteile bremsen die Veränderungsgeschwindigkeit.

Können Vorstandsjob nur von Menschen gemacht werden, die bereit sind 24 Stunden an sieben Tagen zu arbeiten und alle anderen Lebensbelange zurückzustellen? Sind Frauen tatsächlich nicht widerstandsfähig genug für den Weg an die Spitze? Können Männer analytischer denken? Und Frauen attraktiver den Empfang besetzen? Ist Fußballmanagement wirklich eine Aufgabe für Männer, vornehmlich solche, die selbst kurze Hosen getragen haben?

Vielleicht sind diese und unzählige andere Glaubenssätze das machtvollste Element, das Veränderung entgegenwirkt. Und das dankbarste im Sinne von Machterhalt und auch von Bequemlichkeit.

Was ist also zu tun? Was braucht es, um die Kraft von Diversität, von Frauen, endlich zur vollen Wirkung kommen zu lassen?

ALLES STARTET MIT DEM BEWUSSTSEIN DER ENTSCHEIDER

Eine gern genutzte Erklärung für Nullquote und Männerdominanz ist, dass keine Kandidatinnen zur Verfügung stehen oder Frauen nicht willens sind, Spitzenpositionen anzunehmen. Selbst wenn diese Erklärung im Einzelfall stimmen sollte, wird dabei die Beschäftigung mit der Frage nach dem „warum?“ ausgelassen.

Frauen treffen noch immer auf eine Struktur, die nach Männerregeln gemacht ist. Allumfängliche Betriebsamkeit dient als Ausdruck besonderer Leistungsfähigkeit. Die Sinnhaftigkeit und das Ausmaß an Selbstbeschäftigung und Machterhalt werden dabei nicht reflektiert. Sitzungen finden an unmöglichen Orten statt oder dauern bis tief in die Nacht, unabhängig von wirklicher Dringlichkeit, oder ob die Konzentration noch für verantwortungsvolle Entscheidungen ausreicht.

Eine ersthafte Auseinandersetzung über neue Formen der Governance, geteilte Vorstandspositionen, gemischte Führungsteams, Leitungsrollen in Teilzeit, die Berücksichtigung unterschiedlicher Lebens- und Arbeitsphasen, findet noch immer nicht konsequent satt.

Was braucht es zu tatsächlicher Vorwärtsentwicklung?

Diversität muss ein Top-Thema sein für Aufsichtsräte und Vorstände. Es braucht ein Bewusstsein für die Notwendigkeit das System grundlegend zu verändern und die Beschäftigung mit der eigenen Rolle. Manifeste Urteile, ob bewusste oder unbewusste, zu korrigieren ist oft unbequem und anstrengend – aber genau hier liegt einer der zentralen Hebel. Aus pflichtschuldiger Quotenbesetzung muss echte Überzeugung werden. Es reicht nicht Frauen in verantwortliche Positionen zu bringen, sie müssen auch mit Autorität, Zeit und Gestaltungsräumen ausgestattet sein, um erfolgreich zu sein und über die inhaltliche Aufgabe hinaus zu wirken.

Was sich konkret ändern muss:

  • Es gibt keinen Grund für eine 0% Quote. Alles unter 50% ist inakzeptabel. Laut des Fidar WOB Indexes ist 2019 die Aufsichtsratsquotenanforderung für DAX Unternehmen erstmals erfüllt, allerdings nur bei den Unternehmen, die der gesetzlichen Verpflichtung unterliegen. Die Situation in Vorständen sieht nach wie vor verheerend aus. Dennoch wird jede Entwicklung als Fortschritt gewertet. Gefeiert werden sollten diejenigen Unternehmen und ihre Aufsichtsräte, die sich wirkliche Parität über alle Gremien hinweg zum Ziel gesetzt haben.
  • Es braucht fundierte Kenntnis über die Vorteile von Diversität. Die Notwendigkeit den Wandel zu gestalten muss eine Grundvoraussetzung werden, wie die englische Sprache in Zeiten der Globalisierung, oder das Verständnis der Chancen, die sich durch Digitalisierung eröffnen. Wer nicht dazulernt, wer sich nicht auseinandersetzt „is not passing“.
  • Es reicht nicht „Geld auf das Thema zu werfen“, Diversity Verantwortliche einzusetzen, mehr Frauen einzustellen und Trainings auszurollen. Das ist alles gut und richtig, aber eben nur notwendig, nicht hinreichend. Es braucht echte Inklusion, es braucht Führung, die auf Basis der eigenen Auseinandersetzung offen und klar kommuniziert, die Ausgrenzung nicht zu läßt.
  • Offenheit für eine neue Governance! Wann kommt endlich die erste geteilte Vorstandsposition? Natürlich geht das! Die gesellschaftliche Forderung danach wird ohnehin kommen. Zukunftsorientierte Unternehmen schaffen solche Angebote rechtzeitig und unterscheiden sich damit auf einem hochumkämpften Markt um das beste Personal.

All change starts from the top. Ohne das überzeugte und ernst gemeinte Bekenntnis von Vorständen und Aufsichtsräten – vornehmlich Männern –wird es weiterhin zu langsam voran gehen

FRAUEN FEIERN FRAUEN

Auch wir Frauen sind gefordert, unser Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Allem voran steht das Bewusstsein für den eigenen Weg. Für den, den wir gegangen sind und den, der vor uns liegt. Lasst uns aufhören den Feminismus, die mutigen Wegbereiterinnen, die Quote kritisch zu betrachten. Lasst uns nicht zufrieden sein, bis alle wirklich gleiche Chancen und Rechte haben. Macht Schluss mit der Lust an der Alleinstellung. Bringen wir Begeisterung auf für die Mehrheit, für Gestaltungskraft, für eine weibliche Form der Macht. Und ganz konkret:

  • Lasst uns immer mindestens fünf Namen anderer Frauen parat haben, die wir empfehlen, wenn wir gefragt werden nach einer Position, nach Interviews oder Vorträgen, die wir selber nicht annehmen wollen oder können. Das stärkt andere Frauen, das räumt auf mit den falschen Thesen, es gäbe keine Kandidatinnen, oder Frauen leben zu wenig Solidarität miteinander. Und es stärkt uns alle.
  • Lasst uns nicht mehr auf Podien gehen, wenn wir die einzige Frau sind. Lasst uns wo auch immer wir allein unter Männern sind die Teilnahme anderer Frauen fördern und fordern. Dafür, dass unser Ansichten, unsere Stimmen vielfältiger und lauter klingen.
  • Und lasst uns ja sagen, laut und klar zu Aufgaben, die uns Macht geben Dinge zu verbessern. Lasst die Leidenschaft für eine Sache stärker sein als die Zweifel an der eigenen Tauglichkeit.

WAS IST ERREICHT, WAS LIEGT VOR UNS?

Unseren Großmütter wurde der Zugang zu (Aus-)bildung verweigert, unsere Mütter mussten noch die Erlaubnis ihres Mannes einholen, wenn sie arbeiten wollten und unsere Töchter kennen dieses Land nur regiert von einer Frau. In den vergangenen Jahrzehnten sind viele Entscheidungen im Sinne der Gleichberechtigung gefallen.

Der ersten EU Kommissionspräsidentin, der ersten Kanzlerin, der ersten Aufsichtsratsvorsitzenden werden zweite und dritte folgen. Die juristische Gleichstellung wird in Deutschland alsbald im Wesentlichen vollzogen sein und auch die Selbstverständlichkeit gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit wird nicht mehr in Rede stehen.

WAS UNS NOCH FEHLT?

Die Vision einer wirklich gleichgestellten Gesellschaft. Politikerinnen, die das Thema nicht als Stigma empfinden, sondern couragiert vertreten. Es fehlt die Anerkenntnis, dass der Fortschritt solange ungenügend ist, bis Gleichheit in allen Chancen und Rechten für alle Menschen allerorts gelebte Realität ist. Es ist frappierend, wie leicht sich Regeln im Alltag etablieren, die diese Entwicklung beschleunigen. Wie wenig Mühe es kostet, wenn man Selbstverständliches nicht abwehrt, sondern integriert. Paritätische Familienmodelle, Frauen als Fußballkommentatorinnen, Männer in Elternzeit, ausgewogene Redezeiten bei Sitzungen und so vieles mehr.

Offensichtliche Ungerechtigkeiten dulden keine Fristen und Verschiebungen mehr.

WORAN ERKENNEN WIR, DASS WIR AM ZIEL SIND?

Es gibt keine Verwunderung darüber, wenn Frauen exponierte Positionen übernehmen. Sie werden nicht mehr in sexistischer Pose dargestellt, sondern inhaltlich bewertet. Mit den gleichen Maßstäben wie der Kollege. Der DFB wird eine Frau als Präsidentin auswählen, weil einfach mal eine Frau dran ist. Wer wie lange bei den Kindern zuhause bleibt ist eine Frage der individuellen Vorlieben.

WARUM IST ES WICHTIG, DAS IMMER WIEDER ZU SAGEN?

Weil es gerecht ist, weil es richtig ist und weil es die Chance für uns alle mit sich bringt, die Herausforderungen unserer Zeit zu lösen. Aus Liebe zur Zukunft.

1 Weitere Ausführungen zum Thema gender aware economics sind zu finden z.B. bei: „The UN Women, Gender, and Economics Training Manual“, UN Women2017.
2 „Die Macht hinter den Kulissen“, Allbright Bericht Apil 2019
3 Women on Board Index 185, Fidar, 2019
4 Women, Business and the Law, Worldbank, 2019