Im Konjunkturpaket der Bundesregierung heißt es: „Es ist das erklärte Ziel der Koalitionspartner, Deutschland schnell wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen. Es bedarf nicht nur der Reaktion auf die Auswirkungen der Krise, sondern viel mehr eines aktiv gestalteten innovativen Modernisierungsschubs und der entschlossenen Beseitigung bestehender Defizite.“

(https://static1.squarespace.com/static/5c7e8528f4755a0bedc3f8f1/t/5edf9b7cb76f5f02ba289ba9/1591712648429/AllBrightBericht_Juni2020_Familienunternehmen.pdf)

Ein hoffnungsweckender Satz. Die Realität der nachfolgenden fünfzehn Seiten ist eine andere: Keine einzige direkte Maßnahme, kein einziger Euro Mittelvergabe gebunden an Frauenföderung, Diversity und die Beseitigung bestehender Ungleichheiten.

Das Paket war eine Chance für eine aktive, zukunftsorientierte Frauenpolitik. Und zwar, um im Duktus der Erklärung zu bleiben, nicht nur, um auf Auswirkungen der Krise, z.B. der von der Kanzlerin diagnostizierten Gefahr der Retraditionalisierung zu reagieren, sondern um einen längst nicht mehr allzu innovativen Modernisierungsschub im Sinne von Gleichheit und Diversity zu gestalten. Und vor allem, um bestehende Defizite zu beseitigen. Denn wenn ein Defizit, insbesondere ein strukturelles, eines das unökonomisch und ungerecht ist, erkannt und benannt ist, dann gehört es unmittelbar und mit „Wumms“ verändert.

Frauen und ihre Teilhabe an Arbeit haben in den letzten Wochen einen dramatischen Backslash erlebt, traditionelle Rollen wurden wiederhergestellt und neu zementiert. Es sind Frauen, die sich in dieser Homeeverything-Zeit um die Betreuung, Beschulung und Bespaßung der Kinder kümmern. Sie haben dadurch schlichtweg weniger Zeit und Energie um sich der Gestaltung ihrer Karriere zu widmen. Die Teilzeitfalle ist zurück.

Zugleich bekommen durch den Wegfall von etablierten Governance- und Meetingstrukturen informelle Bünde wieder freien (Büro-)Raum. Männerbünde natürlich, denn es sind vor allem Männer, die während des Homeoffices ins Büro gehen wollen und können.

Es gibt unzählige Studien die nachweisen, dass Frauen in Führungspositionen und gemischte Teams bessere Ergebnisse erzielen. Übrigens durch eine besondere Kompetenz von Frauen in der Bewertung von Risiken, durch eine andere, moderierende Tonalität und durch die Neigung zu sachlichen Entscheidungen, gerade in Krisen wie der derzeitigen. Es ist unverantwortlich, dieses Potenzial liegen zu lassen.

Viele PolitikerInnen haben das erkannt und beklagt. Und dennoch bleibt es ein theoretischer Diskurs.

Tatsächlich wird die Förderung von Frauen und Diversity den schlimmsten Erwartungen entsprechend in der Krise repriorisiert. Was für eine verpasste Chance, der Rückentwicklung mit einem überzeugten Programm nach vorne entgegenzutreten.

Wir fordern dementsprechend, dass JETZT konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Wir wollen, dass all diejenigen, die es können, ihre Macht und ihren Einfluss nutzen, um die Situation von Frauen zu verbessern. Es braucht keine weiteren tröstenden Absichtserklärungen. Ungleichheit und ihre Auswirkungen sind ausreichend analysiert. Wir wollen Veränderung, wir wollen Wirkung. Dazu braucht es überzeugtes Handeln. Dazu braucht es Regeln und konsequente politische Programme.

Die Politik hat diesen Gestaltungsraum. Wir erwarten, dass er genutzt wird.

Wenn staatliche Gelder an Unternehmen verteilt werden, sind diese Gelder an Kriterien zu knüpfen: Klare Ziele und Bekenntnisse zu Frauenquoten in Führungspositionen, Messbarkeit und Pläne für mehr Diversity und echter Inklusivität, flankiert von Sofortmaßnahmen, um Frauen in der derzeitigen Situation ganz konkret zu unterstützen.

Wir haben in den vergangenen drei Monaten vieles gelernt, auch dass mehr Flexibilität und weniger Präsenz ist möglich, auch für Führungskräfte, wenn Führungskräfte dafür sorgen, dass es zur Norm wird.

Zustimmendes Nicken oder Likes zu Artikeln, die diesen Missstand beschreiben, sind schön – aber es braucht mehr, um den Druck zu erhöhen. Am Freitag entscheidet der Bundestag über weite Teile des Konjunkturpakets. Lasst uns gemeinsam fordern, all den Erkenntnissen nun Taten folgen zu lassen. Staatliche Zuwendungen an Unternehmen sind mit konkreten Maßnahmen zur Förderung von Frauen zu verbinden.

Sendet wie wir auch eine Mail an folgende Adresse:  cvd@bpa.bund.de

Liebe Frau Dr. Merkel, liebe Frau Dr. Giffey, lieber Herr Altmeier, lieber Herr Scholz,

Sie alle haben in unterschiedlicher Weise die Bedeutung der gezielten Förderung von Frauen benannt und/oder die gegenwärtige Gefahr einer “Retraditionalisierung“ identifiziert. Lassen Sie nicht zu, dass die Themen Frauen und Diversity in Anbetracht der gegenwärtigen Krise repriorisiert werden.

Wir fordern ein innovatives Frauenförderungsprogramm im Rahmen des geplanten Konjunkturpakets.

Was wir gesehen haben

Eine ebenso klare wie irritierende Recherche von Fidar (https://www.fidar.de) – Frauen in die Aufsichtsräte, ein Verein der sich unermüdlich und auf vielfältige Weise seit rund 15 Jahren dafür einsetzt, den Frauenanteil in Aufsichtsräten deutscher Unternehmen zu erhöhen. Mit Berichten, mit Indizes, mit Veranstaltungen, mit öffentlichem Druck, mit unzähligen Gesprächen.

Sie wollten es genau wissen: ist es nur ein Gefühl oder geht die Medienberichterstattung zu „Frauen in Führung“ seit der Corona-Krise wirklich zurück.

Es ist leider Realität: Im März gab es rund ein Drittel weniger Berichterstattung als im März des Jahres zuvor. Im April sogar zwei Drittel weniger.

Und das obwohl wir gerade jetzt, in diesen Krisenzeiten auf die Expertise und Erfahrung von Führungsqualitäten von Frauen nicht verzichten können und sollten.

Was allerdings leider passiert. Auch dazu gibt es jetzt eine Studie. Der Malisa Stiftung (https://malisastiftung.org/frauen-sind-die-wahren-heldinnen-in-der-krise-erzaehlen-uns-maenner/). Egal welches Medium – Experten sind männlich.

Druck auf das Thema Frauen und Ungleichheit könnte auch über Medien entstehen. Oder umgekehrt – Medien könnten Teil der Lösung sein. Aber vielleicht müssen auch dazu wiederum Gelder an Kriterien gekoppelt werden …